Freitag, 18. Mai 2012

Feldforschung - selbst gemacht


Wer sich einmal als Feldforscher ausprobieren will, dem möchte ich zeigen, wie man leicht von zu Hause aus einen Einblick in die Materie bekommen kann. 

Die erste Aufgabe des Feldforschers, nachdem er sich Tonmaterial zum Beispiel durch Wortlisten gesichert hat, ist es, das Tonmaterial zu transkribieren. Eine einfache Möglichkeit ist es, die Tonspur mithilfe eines Bearbeitungsprogramms mit einer Textspur zu unterlegen. 

Und genau das können wir ausprobieren:
Im Internet kostenlos downloadbar ist das Programm Audacity, mit dem man Audiodateien aufnehmen, bearbeiten und mit Textspuren unterlegen kann.
An Tonmaterial kann man im Internet leicht über Youtube kommen. Am besten einfach ein Video in einer Sprache runterladen, mit der man sich schon ein wenig beschäftigt hat, damit die Arbeit für den Anfang nicht zu schwer wird. Um das Video als Tondatei zu speichern, kann man zum Beispiel das Programm ClipGrab verwenden, das ebenfalls kostenlos heruntergeladen werden kann.
Mit dieser Methode kann ganz einfach nicht vollständig verständliches Tonmaterial Wort für Wort auch mit verlangsamter Geschwindigkeit gehört und analysiert werden.
Viel Spaß beim Ausprobieren!

Montag, 14. Mai 2012

Das Rezept für ein Wort


Eine spannende Frage der Linguistik ist: „Wie entsteht ein Wort?“
Wollen wir der Frage auf den Grund gehen, machen wir das in der Ebene der Morphologie, die sich mit Wörtern, ihren Bestandteilen und ihrer Bildung auseinandersetzt.

Stellen Sie sich nun einmal ein ganz simples Wort vor!
Wenn ein Wort ganz simpel sein soll, dann liegt es nahe, ein Nomen zu nehmen und zwar eines, das einen konkreten Gegenstand beschreibt. So ein Wort kann man sich sofort bildlich vorstellen und wir müssen unser Gehirn erst einmal nicht mit den Gedanken an Abstrakta belasten.
Ihr Wort wird nun wahrscheinlich in der Einzahl stehen – so simpel wie möglich eben.
So ein Wort könnte nun „Baum“ oder „Haus“ oder „Berg“ sein.
All diese Wörter können wir nicht in einzelne Wort-Bestandteile zertrennen, in unserer morphologischen Ebene sind diese Elemente also Grundbausteine, die wir Morpheme nennen. Und Morpheme sind die kleinsten bedeutungstragenden Teile in einer Sprache, was an den Beispielen gut zu erkennen ist. Das „Baum“ eine Bedeutung trägt, dürfte klar sein, genauso auch die Tatsache, dass eine kleinere Einheit von Baum, also zum Beispiel „b“ keine Bedeutung trägt, sehr wohl aber bedeutungsunterscheidend ist. Würden wir es z. B. durch „r“ ersetzen, erhielten wir eine andere Bedeutung: „ Raum“.
Im Moment entscheidend sind aber gerade nur die bedeutungstragenden Bausteine. Mit denen können wir jetzt neue Wörter „bauen“: Baum-Haus zum Beispiel.
Diese Art zu „bauen“ nennen wir Komposition, aber es gibt noch einige andere Arten zu bauen.
Zum Beispiel können wir ein anderes Morphem, welches keine lexikalische Bedeutung besitzt und ganz unscheinbar so aussieht:  „-e“, an das Morphem „Berg“ anbauen und schon haben wir nicht nur einen Berg, sondern mehrere „Berg-e“! Wer mir nicht glaubt, dass auch „-e“ ein Morphem ist, dem kann ich sagen, dass es doch bedeutungstragend ist, also eine weitere Bedeutungskomponente an die andere Bedeutungskomponente (Berg) anbaut.

Was nun deutlich geworden sein müsste, ist, dass ein Wort sowohl aus einem Morphem („Berg“), als auch aus mehreren Morphemen bestehen kann („Berge“).
Die deutsche Sprache kann quasi unendlich viele Morpheme aneinanderreihen und herauskommen können Wörter wie: 

Bereitschaftsdienstableisterinnentagung
Entdecken Sie auch zwölf Morpheme?

Freitag, 11. Mai 2012

Das russische Alphabet und die Kyrilliza

Hier der aktualisierte Artikel auf meinem neuen Blog

Wer sich schon einmal mit der russischen Sprache befasst hat, weiß, dass diese nicht wie die meisten europäischen Sprachen mit dem Lateinischen Schriftsystem geschrieben wird, sondern mit einem anderen, das für die slawischen Sprachen und vor allem für die Russische Sprache mit ihrem Lautinventar besser geeignet zu sein scheint. Das fällt vor allem beim Versuch russische Wörter oder Namen zu transkribieren auf.
Dieses Schriftsystem wird die „Kyrilliza“ (Кирилица) oder auch „kyrillisches Alphabet“ genannt und geht auf die „Glagoliza“ zurück, die vermutlich im 9.Jh hauptsächlich aus dem griechischen Alphabet entwickelt worden ist, um für die Christianisierung der slawischen Völker Bibeltexte im Altkirchenslawischen aufzeichnen zu können.
In der Sowjetunion wurde die Kyrilliza dann auch benutzt, um andere, nicht-slawische Sprachen aufzeichnen zu können. Daher benutzt man heute noch z. B. für das Kasachische, das Tadschikische und das Tschetschenische kyrillische Alphabete.

Aber kommen wir zurück zum russischen Alphabet:

АБВГДЕЁЖЗИЙКЛМНОПРСТУФХЦЧШЩЪЫЬЭЮЯ

Eine Besonderheit der Russischen Sprache ist, dass fast alle Konsonanten in Paaren auftreten: Zu jedem Konsonanten gibt es jeweils einen palatalisierten Partner. Das heißt, dass der Konsonant einen kleinen J-Anteil bekommt. (Wissenschaftlich ausgedrückt: der Konsonant erhält eine palatale Sekundärartikulation)
Es gibt also zum Beispiel einen Laut, der ähnlich dem deutschen <t> ist, und einer, der sich fast so anhört wie ein <tj>. Am deutlichsten wird der Unterschied beim <л>, das wie ein <l> im kölnischen Dialekt ausgesprochen wird. Der Partner dazu hört sich dann ähnlich wie ein <lj> an.

Das besondere bei der russischen Schrift ist nun, dass man die palatalisierten Konsonanten genau wie ihre nicht-palatalisierten Partner schreibt.
Dass der Konsonant aber palatalisiert ist, kann man dadurch ausdrücken, dass ein sogenanntes Weichheitszeichen (ь) folgt: <л> - <ль>.
Folgt ein Vokal, so gibt es noch eine andere Möglichkeit.
Alle Vokale sind auch in Paare unterteilt. Einmal die nichtjodierten, von denen die meisten deutschen Vokalen ähnlich sind: а э ы о у
Und dann die iodierten, die ausdrücken, dass der Konsonant vorher ein palatalisierter Konsonant ist:
я е и ё ю
Anna schreibt man im Russischen so: Анна
Wollen wir das <n> aber palatalisiert haben, also Anna zu Anja machen, schreibt man hinter dem <n> nicht das normale, nichtjodierte <a> sondern das <ja> (я), das ausdrückt, dass das <n> palatalisiert ist: Аня

Bei weiterem Interesse empfehle ich folgenden Link, unter dem auch die Aussprache der Buchstaben angehört werden kann.



Laute zum Anhören

Für alle, die sich den Post Lautschriften und die Klassifikation von Lauten durchgelesen oder sich einmal die IPA-Tabelle mit den verschiedenen Lauten der Welt angeschaut haben, habe ich hier ein paar Links, um die Laute ein wenig greifbarer zu machen.  
Hier können Sie sich die Laute auch anhören:

Konsonanten

Die ganze Tabelle

Lautschriften und die Klassifikation von Lauten


Wie schon erklärt, behandelt die Phonetik die Oberfläche der Sprache, beschreibt also die physikalisch produzierten Laute.
Wenn wir nun versuchen, alle uns bekannten Laute auszusprechen und auch noch aufzuschreiben, stoßen wir auf zwei große Probleme:

1.    Wir wissen nicht wo wir anfangen und aufhören sollen - allein in der deutschen Sprache gibt es viele verschiedene Laute, die wir gerne in eine Ordnung bringen wollen. Dazu müssen wir uns anschauen, was es für Kategorien gibt, und versuchen, all diese Laute zu klassifizieren.
2.    Wir haben erst einmal keine Möglichkeit, diese Laute distinktiv, also unterscheidend, zu notieren. Benutzen wir die deutsche Schrift dafür, fällt uns schon auf, dass z. B. der Laut, der am Ende des Wortes „Buch“ durch „ch“ wiedergegeben wird, nicht der gleiche ist, wie der, der im Wort „Bücher“ durch „ch“ wiedergegeben wird. Wir brauchen also eine allgemein gültige Lautschrift, mit der wir in der Lage sind, die verschiedenen Laute der Sprachen distinktiv zu notieren.

Wir gehen also als erstes einmal das Problem der Klassifikation an und versuchen dazu, die Phone (Laute) zu unterscheiden und Kategorien, in die wir sie einteilen können, zu finden. Zwei Hauptkategorien sind uns dabei schon aus der Schule bekannt: Vokale und Konsonanten.
Was der genaue Unterschied zwischen ihnen ist, will ich in diesem Post noch nicht verdeutlichen. Da jeder den Unterschied im Sprachgefühl beherrscht, werde ich erst einmal diese Kategorien in weitere Unterkategorien aufzuteilen.
Um Konsonanten grob zu beschreiben, können wir versuchen herauszufinden, wo im Mund und Rachen sie gebildet werden, wie sie gebildet werden und ob die Stimmlippen dabei mitschwingen oder nicht. Ein weiterer Post wird das noch einmal genauer unter die Lupe nehmen.
Nehmen Sie sich zum Beispiel einmal den deutschen Konsonanten <t> und versuchen Sie, ihn zu beschreiben. Zur Frage „wo?“ also zur Frage des Artikulationsorts kann man sagen, dass er direkt hinter den Zähnen mit der Zungenspitze gebildet wird. Dieser Ort wird Zahndamm (die „Alveolen“) genannt und damit können wir diesen Laut als „alveolar“ bezeichnen. Wenn wir noch mehr deutsche Laute unter die Lupe nehmen, merken wir, dass auch die deutschen Laute <n>, <s>, <d> und <l> am gleichen Ort gebildet werden. Also sind auch diese Laute alveolar.
Auch die Vokale kann man in bestimmte Kategorien unterteilen.

Wenn dann alle Laute kategorisiert worden sind, können wir versuchen, sie in Tabellen einzutragen. Und genau das hat die „International Phonetic Association“ gemacht.
Natürlich hat sie dafür nicht die Englische oder Deutsche Schrift genommen, sondern hat jedem Laut ein eigenes Zeichen gegeben, dass universal in jedem Land gebraucht werden kann. Mit dieser Lautschrift soll jede Sprache der Welt lautlich wiedergegeben werden können.
Wer sich das einmal anschauen will, kann unter diesem Link eine PDF mit allen Zeichen bekommen. Das sieht auf den ersten Blick sehr kompliziert aus, aber wer genauer hinschaut, sieht, dass viele Zeichen der lateinischen Schrift ähnlich sind und dass das meistens genau die gleiche Schrift ist, die auch in Lehrbüchern für Sprachen benutzt wird, um die Aussprache zu verdeutlichen.
Natürlich gab es auch andere Gruppierungen und Gesellschaften, die andere Lautschriften entwickelt haben, aber die sogenannte IPA hat sich am meisten durchgesetzt und wird in vielen Universitäten und auch in den meisten Lehr- und Wörterbüchern verwendet.

Montag, 7. Mai 2012

Sprache - ihre Ebenen und deren Bausteine


Sprache ist multidimensional. Um sie beschreiben zu können, müssen wir also in mehreren Ebenen denken.


Gehen wir also zuerst einmal ganz oberflächlich an die Sprache heran. Angenommen wir nehmen eine für uns fremde Sprache war, so wird all das, was wir rein physikalisch wahrnehmen, von der Phonetik beschrieben. Die Bausteine der Phonetik sind also Phone, also Laute, aus denen sich Sprache zusammensetzt. Phonetik befasst sich damit, wie Laute entstehen, wie wir sie klassifizieren – also in Gruppen einteilen können, wie die Laute übertragen werden und wie wir sie als Signal aufnehmen. 

Wollen wir innerhalb der lautlichen Ebene unter die Oberfläche schauen, so befassen wir uns damit, in welcher Umgebung verschiedene Laute stehen, wie Laute sich verändern und sich beeinflussen und zum Beispiel wie eine Silbe aufgebaut ist. Anstelle von Phonen, die also oberflächlich physikalisch wahrnehmbare Laute sind, beschäftigt sich diese nächste Ebene, die Phonologie, mit Phonemen – abstrakte bedeutungsunterscheidende Bausteine. So kann in einer Sprache zum Beispiel das Phonem /r/ durch verschiedene r-Laute (Phone) produziert werden. Wir können es durch ein Zungenschlag-r [r], ein am Zäpfchen gerolltes [ʀ] oder ein dort „geriebenes“-r [ʁ] realisieren ohne eine bedeutungsunterscheidende Wirkung zu haben. 

Aus den Phonemen werden aber nicht gleich Wörter gemacht, denn in der nächsten Ebene, der Morphologie, beschäftigen wir uns nicht direkt mit Wörtern, sondern erst einmal mit meist kleineren Bausteinen, den Morphemen. Wenn wir uns nämlich zum Beispiel deutsche Wörter einmal anschauen, sind darin oft mehrere bedeutungstragende Teile kombiniert. Zum Beispiel das Wort „Volkslieder“ enthält vier bedeutungstragende Bausteine (Morpheme). Das offensichtlichste ist hier wohl „Lied“. Zwischen Volkslieder und Lied ist aber ein Bedeutungsunterschied, der daher rührt, dass durch andere Morpheme, wie zum Beispiel „Volk“, das Fugenmorphem „-s-“ und das „-er“, welches die Mehrzahl anzeigt, die Bedeutung verändert wird.  Die Morphologie beschäftigt sich also damit, was Morpheme sind, wie sie klassifiziert werden können und wie aus ihnen Wörter werden.

Wie dann aus Morphemen und Wörtern erst Phrasen und dann Sätze werden, erklärt die Syntax. Sie erforscht Regeln zur Bildung von Sätzen und erklärt dadurch, wie aus der Gesamtheit der Einzelbedeutungen von Wörtern komplexe Gedanken in einem Satz werden können.  Phrasen sind dabei erste Zusammenfügungen von Wörtern, die dadurch gekennzeichnet sind, dass ein Wort die anderen regiert, also beeinflusst. So haben wir zum Beispiel in einer Nominalphrase „ein großes Haus“ das Nomen, welches die anderen in Kasus Numerus und Genus beeinflusst. Deshalb können wir auch nicht sagen „eine großen Haus“. 

Eine ganz andere Ebene, die sich nicht mit dem formalen Aufbau von Sprachbausteinen beschäftigt, sondern allgemein mit ihrer Bedeutung, nennt man Semantik.  Sie befasst sich nicht nur mit der Einzelbedeutung, sondern auch, wie sich diese Bedeutung im Satzzusammenhang verändern kann und wie Wörter nur in bestimmten Kontexten Bedeutungen erlangen können. 

Dass die Bedeutung eines Satzes in einer Sprechsituation völlig verändert werden kann, beschreibt die Pragmatik. Ihre Forschungsgegenstände sind also Sprechsituationen und Gespräche, die nach bestimmten Regeln ablaufen müssen, um die Intention des Sprechers auch beim Hörer ankommen zu lassen. So kann die Bedeutung eines Satzes, wenn er in einem bestimmten Zusammenhang gesprochen wird, durch Ironie umgekehrt werden. Wie das funktioniert erklärt die Pragmatik.


Sprache kann also in all diesen Ebenen erforscht werden. Dabei muss aber bedacht werden, dass sie alle Schnittstellen haben. So kann zum Beispiel durch Phonologische Prozesse, wie durch die Satzintonation, die Semantik (also Bedeutung) geändert werden. Also sind diese Ebenen wichtig, um Sprache zu unterteilen und sie gezielt erforschen zu können, doch muss man feststellen, dass Sprache sich nicht wie eine Torte in Stücke teilen lässt, sondern immer auch als Ganzes gesehen werden muss.